Richtige Atmung: Warum Nasenatmung so wichtig für Ihre Gesundheit ist
- Jonas Zimmerschied
- 20. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Stellen Sie sich vor: Jemand sitzt still da, atmet ruhig durch die Nase – und senkt damit seinen Herzschlag, aktiviert seine Selbstheilungskräfte und bringt sich in einen Zustand tiefer Klarheit. Klingt wie Magie? Ist es nicht. Es ist Biologie. Und es steht jedem von uns zur Verfügung.
Unsere Atmung ist eines der mächtigsten Werkzeuge, die wir besitzen – und gleichzeitig das am meisten unterschätzte. Viele Menschen schlafen schlecht, sind dauermüde, innerlich unruhig oder dauerhaft gestresst. Und dabei atmen sie die ganze Zeit. Nur leider falsch.
Die gute Nachricht: Sie müssen nicht gleich Ihr Leben umkrempeln. Oft reichen kleine Umstellungen und kurze Momente bewusster Atmung, um etwas zu verändern. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Nasenatmung Ihre Energie, Ihre Konzentration, Ihren Schlaf und Ihre Gesundheit nachhaltig verbessern kann. Ganz ohne Aufwand – einfach durch etwas, das Sie ohnehin jeden Tag tausendfach tun.
Und vielleicht zum ersten Mal richtig.

Warum richtige Atmung weit mehr ist als „Ein und Aus“
Die größten Yogis der Welt nutzen ihre Atmung, um sich in tiefe meditative Zustände zu versetzen – bis hin zur bewussten Kontrolle über Körperfunktionen wie Puls oder Temperatur. Anhänger der Wim-Hof-Methode trotzen mit gezielter Atemtechnik der Eiseskälte, steigen auf schneebedeckte Berge in Shorts – und beeinflussen nachweislich ihr Immunsystem. Und Leistungssportler auf Weltklasse-Niveau trainieren gezielt ihre Atemfrequenz, um in Wettkämpfen mit weniger Atemzügen mehr Leistung zu bringen.
Diese Beispiele zeigen: Atmung ist weit mehr als ein Reflex. Sie ist ein Werkzeug. Ein Zugang zu Ressourcen, die in uns allen stecken – wir nutzen sie nur viel zu selten.
Atmen ist mehr als Luft holen. Es ist Kommunikation – zwischen Körper, Gehirn und Umwelt. Wenn wir hektisch atmen, signalisiert das unserem Nervensystem: „Achtung, Stress!“ Und genau so fühlt es sich dann auch an.
Nasenatmung hingegen beruhigt. Sie bringt uns raus aus dem Überlebensmodus. Richtiges Atmen bedeutet:
ruhig,
gleichmäßig,
durch die Nase – im Alltag, beim Sport und vor allem im Schlaf.
Nasenatmung: Die natürliche Superkraft Ihres Körpers
Unsere Nase ist weit mehr als ein Geruchsorgan. Sie ist ein fein abgestimmtes Hochleistungswerkzeug – entwickelt, um uns zu schützen, zu versorgen und zu regulieren.
Was sie leistet:
Sie reinigt die Atemluft von Staub, Viren und Allergenen.
Sie befeuchtet und erwärmt die Luft, damit unsere Lungen optimal arbeiten können.
Sie produziert Stickstoffmonoxid (NO) – ein gasförmiger Botenstoff, der die Blutgefäße weitet und den Sauerstofftransport im Körper verbessert.
Warum das so wichtig ist:
Wenn wir durch die Nase atmen, gelangt Sauerstoff langsamer und tiefer in die Lunge. Das bedeutet: Der Gasaustausch wird effizienter, wir atmen insgesamt ruhiger und unser Körper spart Energie. Die Folge: mehr Ausdauer, bessere Konzentration – und je nach Kontext auch mehr innere Ruhe.
Interessant dabei: Nasenatmung kann sowohl in Richtung Entspannung wirken – etwa durch ruhiges, bewusstes Atmen – als auch leistungsfördernd sein, zum Beispiel beim Training. Entscheidend ist nicht nur, wodurch wir atmen, sondern auch wie: schnell oder langsam, flach oder tief, hektisch oder ruhig.
Bei gleichmäßiger, bewusster Atmung wird der Parasympathikus aktiviert – unser „Ruhe-Nerv“. Das hilft beim Einschlafen, bei der Verdauung oder nach einem stressigen Tag. Mehr dazu im Abschnitt 6.
Nicht zuletzt trägt Nasenatmung auch zur richtigen Kiefer- und Zungenhaltung bei, beeinflusst die Sprachentwicklung und sorgt dafür, dass die Luftwege offen bleiben. Gerade bei Kindern ein oft unterschätzter Faktor.
Kurz gesagt: Die Nase ist ein Multitalent. Wer sie dauerhaft ignoriert, verschenkt jeden Tag ein Stück Gesundheit.
Was falsches Atmen auslöst – ohne dass wir es merken
Viele Menschen atmen durch den Mund. Oft unbewusst. Beim Arbeiten, Sprechen, Schlafen – manchmal sogar beim Spazierengehen oder im Sport. Was harmlos klingt, stresst unser gesamtes System.
Mundatmung aktiviert nicht nur unser Stressnervensystem (Sympathikus), sondern bringt eine ganze Kaskade an Nachteilen mit sich:
Sie trocknet den Mund aus, stört den Flüssigkeitshaushalt und erhöht die Infektanfälligkeit. Über die Mundatmung verlieren wir rund 40 % mehr Flüssigkeit als über die Nase. Die Folge: trockene Schleimhäute, ein gestresstes Immunsystem und ein permanentes Durstgefühl.
Sie stört den Schlaf und begünstigt Schnarchen. Durch den offenen Mund erschlaffen nachts die Atemwege leichter. Das kann zu unruhigem Schlaf, Sauerstoffmangel und Tagesmüdigkeit führen.
Sie erhöht die Atemfrequenz und treibt den Körper in eine Alarmreaktion. Schnellere, flachere Atemzüge signalisieren Gefahr – auch wenn es keine gibt. Der Körper schaltet in den „Stressmodus“.
Hinzu kommen oft verspannte Schultern und Nacken, weil flaches Hochatmen die Atemhilfsmuskulatur überlastet. Auch Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und das Gefühl, „nie ganz durchatmen zu können“, sind typische Folgen.
Und: Wer ständig schnell und flach atmet, verliert zu viel CO₂ – und genau das führt dazu, dass der Sauerstoff im Blut nicht richtig genutzt werden kann. Was das bedeutet, erfahren Sie im nächsten Abschnitt.
Der unterschätzte Schlüssel: CO₂-Toleranz
Viele denken: Je mehr Sauerstoff ich einatme, desto besser. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Damit Sauerstoff in die Zellen gelangen kann, braucht es eine gewisse Menge CO₂ im Blut. CO₂ ist also kein Abfallprodukt – es ist der Schlüssel, um Sauerstoff nutzbar zu machen.
Wer ständig schnell oder durch den Mund atmet, senkt den CO₂-Spiegel zu stark. Die Folge: Sauerstoff bleibt im Blut, aber kommt nicht in den Zellen an. Das ist wie ein voller Tank, aus dem nichts fließt. Typische Anzeichen dafür sind:
schneller Puls
Kurzatmigkeit
Leistungsabfall
ständige Müdigkeit
das Gefühl, nie richtig durchatmen zu können
Um diese CO₂-Toleranz zu messen, gibt es einen einfachen Test: den BOLT-Wert (Body Oxygen Level Test). Dabei hält man nach dem Ausatmen die Luft an und misst die Zeit, bis der erste natürliche Atemimpuls kommt. Je höher der Wert, desto effizienter arbeitet Ihre Atmung.
Wie Sie den Test genau durchführen und was Ihr Ergebnis bedeutet, erfahren Sie in meinem Blogbeitrag: Der BOLT-Wert – wie effizient ist Ihre Atmung?
Die gute Nachricht: Ihre CO₂-Toleranz lässt sich trainieren. Wie das konkret aussieht, lesen Sie im nächsten Abschnitt.
Wie Sie Ihre Atmung verbessern – ohne Aufwand
Sie müssen nichts Kompliziertes lernen. Im Gegenteil: Es geht darum, sich an etwas Ursprüngliches zu erinnern. Atmen ist keine Technik, sondern eine Rückkehr zur natürlichen Funktion Ihres Körpers.
Bewusstsein schaffen:
Der erste Schritt ist Aufmerksamkeit. Beobachten Sie Ihre Atmung in Alltagssituationen:
Atmen Sie durch die Nase oder den Mund?
Ist der Atem flach oder tief? Schnell oder ruhig?
Wie verändert sich Ihre Atmung bei Stress oder Müdigkeit?
Allein das bewusste Wahrnehmen bringt erste Veränderungen.
Die 3-Minuten-Routine für den Alltag:
1. Langsam atmen: Atmen Sie vier Sekunden durch die Nase ein und sechs bis acht Sekunden langsam aus. Diese einfache Atemrhythmik kann spürbar beruhigen.
2. Durch die Nase atmen – auch im Schlaf: Wer nachts über den Mund atmet, schläft oft unruhiger. Ein sanftes Nasenpflaster kann helfen, wieder zur natürlichen Nasenatmung zurückzufinden. Probieren Sie es vorsichtig aus – viele berichten schon nach wenigen Nächten von besserem Schlaf.
3. Atempausen integrieren: Nach dem Ausatmen einmal innehalten – nur kurz, ohne sich zu zwingen. Solche Mini-Pausen trainieren Ihre CO₂-Toleranz und machen Ihre Atmung effizienter.
Bewegung + Atmung kombinieren:
Beim Spazierengehen bewusst den Atemrhythmus beobachten
Nach dem Training oder der Arbeit 1 Minute „Box Breathing“: 4 Sekunden ein – 4 halten – 4 aus – 4 halten
Schon zwei bewusste Atempausen pro Tag können spürbare Effekte bringen. Kleine Impulse mit großer Wirkung. Wie sich das auf Ihren Körper und Ihre Stimmung auswirkt, lesen Sie im nächsten Abschnitt.
Was sich durch richtige Atmung verändert
Viele berichten schon nach wenigen Tagen von spürbaren Veränderungen:
Die Atmung wirkt direkt auf das Nervensystem – sie ist der schnellste Weg, um den inneren Zustand zu verändern. Wie in Abschnitt 2 beschrieben, kann Nasenatmung sowohl leistungsfördernd als auch beruhigend wirken – je nachdem, wie wir sie einsetzen.
Wer regelmäßig durch die Nase atmet, verbessert nicht nur seinen Stoffwechsel und die Sauerstoffversorgung, sondern schult auch seine Fähigkeit, in Stressmomenten ruhig und klar zu bleiben. Atmung wird so zum inneren Kompass – jederzeit verfügbar, jederzeit veränderbar.
Fazit: Kleine Entscheidung, große Wirkung
Vielleicht kennen Sie das: Ein Moment, in dem Sie mitten im Alltag plötzlich kurz innehalten. Sie merken, dass Sie flach durch den Mund atmen, die Schultern verspannt sind, der Kopf voll ist. Und genau in diesem Moment entscheiden Sie sich – für einen tiefen Atemzug durch die Nase. Für einen Augenblick Ruhe. Für sich selbst.
Richtige Atmung ist kein großes Projekt. Es ist eine stille Entscheidung, die Sie jederzeit treffen können. Kein Zeitaufwand, keine Geräte, kein Perfektionismus. Nur Sie und Ihr Atem.
Nasenatmung ist Ihre natürliche Grundlage für Gesundheit, Konzentration und innere Stabilität. Sie bringt Ihren Körper ins Gleichgewicht, klärt Ihren Kopf und stärkt Ihre Widerstandskraft – ganz nebenbei.
Manche nennen das Biohacking. Andere nennen es Achtsamkeit. Im Grunde ist es einfach nur: menschlich.
Atmen Sie nicht einfach nur. Atmen Sie bewusst. Und entdecken Sie, was möglich ist, wenn Sie Ihrem Körper wieder vertrauen.
Comentários